Die Deutsche Wespe (Vespula germanica)

Die Deutsche Wespe (Vespula germanica) ist eine der beiden „Problemwespen“, die im Spätsommer häufig lästig werden. Sie gehört zu den Kurzkopfwespen und ist die Art, die den meisten Menschen unangenehm in Erinnerung bleibt, wenn sie an Wespen denken.

Aussehen und Merkmale

Größe:

  • Arbeiterinnen: 12–16 mm
  • Königinnen: 17–20 mm
  • Männchen (Drohnen): 13–17 mm

Erkennungsmerkmale:

  • Kurzer, gedrungener Kopf (typisch für Kurzkopfwespen)
  • Auf dem Kopfschild (Clypeus) meist 1–3 schwarze Punkte, manchmal zu einem Strich verbunden
  • Schwarze Fühler mit gelber Unterseite
  • Gelbe Beine mit dunklen Flecken
  • Deutliche Wespentaille zwischen Brust und Hinterleib
  • Schwarz-gelb gebänderter Hinterleib

Hinweis: Für Laien sind Deutsche und Gemeine Wespe fast nicht zu unterscheiden – sie verhalten sich jedoch nahezu identisch.

Verbreitung und Lebensraum

Lebensräume:

  • Siedlungsbereiche und städtische Gebiete
  • Gärten, Parks und Waldränder
  • Kulturlandschaften und Wiesen
  • Vom Tiefland bis in Gebirgslagen

Nestbau

Die Deutsche Wespe baut ihre Nester bevorzugt in dunklen, geschützten Hohlräumen.

Typische Standorte:

  • Erdnester in verlassenen Mäuse- oder Maulwurfbauten (häufigste Form)
  • Dachböden, Rollladenkästen, Zwischendecken, Hohlräume in Gebäuden
  • Schuppen, Garagen oder Komposthaufen
  • Vogelnistkästen
  • Selten freihängend

Nestmerkmale:

  • Papierartige Hülle aus zerkauten Holzfasern
  • Mehrere waagerechte Wabenetagen übereinander
  • Grau-braunes Streifenmuster
  • Nestdurchmesser meist 30–60 cm, in Hohlräumen auch größer
  • Alte Nester werden nicht wiederverwendet

Volksgröße

Ein Volk der Deutschen Wespe gehört zu den größten heimischen Wespenstaaten:

  • Durchschnittlich 3.000–5.000 Arbeiterinnen
  • In Ausnahmefällen bis zu 10.000 Individuen

Diese hohen Individuenzahlen machen die Art im Spätsommer besonders auffällig.

Lebenszyklus

  • April/Mai: Eine überwinterte Königin gründet ein neues Nest, baut erste Waben und zieht die ersten Arbeiterinnen auf.
  • Mai/Juni: Die ersten Arbeiterinnen übernehmen alle Aufgaben außer der Eiablage. Das Volk wächst rasch.
  • Juli/August: Die Kolonie erreicht ihre Hauptaktivität. Die Arbeiterinnen jagen vor allem Insekten und sind kaum an menschlicher Nahrung interessiert.
  • August/September: Das Volk ist auf dem Höhepunkt. Da weniger Larven vorhanden sind, suchen die Arbeiterinnen nach zuckerhaltigen Nahrungsquellen – sie werden an Tischen und Mülltonnen lästig.
  • Oktober/November: Das Volk stirbt ab. Nur die begatteten Jungköniginnen überwintern und gründen im nächsten Frühjahr neue Staaten.

Nahrung und Jagdverhalten

Frühsommer – Larvenaufzucht:

Die Arbeiterinnen jagen aktiv:

  • Fliegen und Bremsen
  • Mücken und Raupen
  • Blattläuse, Spinnen und kleine Insekten
  • Auch Aas oder Fleischreste

Die Beute wird zerkaut und an die Larven verfüttert. Im Gegenzug geben die Larven zuckerhaltige Tropfen ab, die die Arbeiterinnen als Energiequelle nutzen.

Spätsommer – nach Ende der Brut:

Wenn keine Larven mehr gefüttert werden, fehlt dieser Zucker. Die Wespen suchen dann nach alternativen Quellen:

  • Süße Getränke, Obst, Kuchen, Eis, Marmelade
  • Fleisch und Wurstreste
  • Überreifes Fallobst, Nektar und Honigtau

Dadurch werden sie für Menschen besonders störend.

Verhalten gegenüber Menschen

Positive Eigenschaften:

  • Effektive Schädlingsbekämpfer im Frühsommer
  • Ein Volk erbeutet täglich mehrere Hundert bis über tausend Insekten

Problematische Eigenschaften:

  • Im Spätsommer stark aufdringlich bei Essen im Freien
  • Verteidigt das Nest bei Störung energisch
  • Reagiert empfindlich auf Erschütterungen oder hektische Bewegungen

Stechverhalten:

  • Stiche erfolgen nur zur Verteidigung
  • Die Wespe kann mehrfach stechen (glatter Stachel ohne Widerhaken)
  • Für gesunde Menschen meist harmlos, für Allergiker potenziell gefährlich
  • Stiche im Mund-/Rachenraum sind lebensgefährlich – sofort 112 rufen!

Auslöser für Aggression:

  • Erschütterung oder Annäherung ans Nest
  • Blockieren der Flugbahn
  • Nach Wespen schlagen oder Anpusten (CO₂ wirkt als Alarmsignal)
  • Parfüms oder stark duftende Cremes

Ökologische Bedeutung

Trotz ihres schlechten Rufs ist die Deutsche Wespe ökologisch sehr wertvoll.

Als Schädlingsbekämpferin:

  • Reduziert Populationen von Fliegen, Mücken, Raupen und anderen Insekten
  • Hilft, das ökologische Gleichgewicht zu stabilisieren

Als Bestäuberin:

  • Besucht Blüten zur Nektaraufnahme und unterstützt die Bestäubung

In der Nahrungskette:

  • Dient Vögeln (z. B. Wespenbussard, Neuntöter, Bienenfresser) als Nahrung
  • Wird selbst von Parasiten und Schlupfwespen befallen

Tipps im Umgang mit Deutschen Wespen

Am Essenstisch:

  • Ruhe bewahren, keine hektischen Bewegungen
  • Nicht nach Wespen schlagen
  • Speisen und Getränke abdecken
  • Nur aus Gläsern oder Bechern trinken
  • Kinder nach dem Essen Mund und Hände abwischen
  • Fallobst aufsammeln, Mülleimer geschlossen halten
  • Parfüm und stark duftende Cremes vermeiden

Ablenkfütterung:

  • Überreife Weintrauben oder Zuckerlösung in 5–10 m Entfernung anbieten
  • Nicht direkt neben dem Essplatz aufstellen

Bei Nestern:

  • Niemals selbst entfernen – Gefahr durch Massenstiche
  • Fachkundige Wespenberater oder Schädlingsbekämpfer hinzuziehen
  • Rasenmähen oder Arbeiten über Erdnestern vermeiden
  • In Rollladenkästen Rolladen nicht mehr bewegen
  • Im Herbst stirbt das Volk von selbst ab – meist reicht Abwarten

Rechtliches

Alle Wespenarten sind nach § 39 Bundesnaturschutzgesetz geschützt.

Das bedeutet:

  • Nester dürfen nur mit triftigem Grund entfernt werden
  • Entfernung oder Umsiedlung nur durch Fachleute und mit Genehmigung
  • Verstöße können mit Bußgeldern geahndet werden

Notfallmaßnahmen bei Stichen

Normale Stiche:

  • Kühlen (Eis, kalte Umschläge)
  • Antihistamin-Gel auftragen
  • Auf Schwellungen achten

Stiche im Mund-/Rachenraum:

  • Sofort Notruf 112
  • Eis lutschen oder kaltes Wasser trinken
  • Kühlung von außen am Hals

Allergische Reaktion:

  • Sofort Notarzt rufen
  • Notfallset (Adrenalin-Autoinjektor) verwenden, falls vorhanden
  • Person ruhig lagern, Beine hoch

Fakten

„Wespen sind aggressiv.“ – Falsch. Sie stechen nur, wenn sie sich bedroht fühlen.

  • Quellenangaben
  • Spradbery, J.P. (1973): Wasps: An Account of the Biology and Natural History of Solitary and Social Wasps. London: Sidgwick & Jackson.
    → Grundlegende biologische Daten zu Vespula germanica (Lebenszyklus, Volksgröße, Neststruktur).
  • Akre, R.D. et al. (1980): The Yellowjackets of America North of Mexico. USDA Agriculture Handbook No. 552.
    → Beschreibung von Größe, Morphologie, Verhalten und Ökologie der Kurzkopfwespen (Vespula spp.).
  • Rupp, P. (2021): Fachinformationen zu sozialen Faltenwespen in Deutschland. Landesbund für Vogelschutz Bayern (LBV).
    → Angaben zu Neststandorten, Volksgrößen, Flugzeiten und Verhalten in Mitteleuropa.
  • Bundesamt für Naturschutz (BfN): Wespen und Hornissen – Rechtlicher Schutz nach § 39 BNatSchG.
    → Quelle für den Hinweis: Alle Wespenarten sind geschützt; Entfernung nur mit triftigem Grund erlaubt.
  • Deutsches Hymenopteren-Informationszentrum (HymIS, 2024): Artsteckbrief Vespula germanica (Fabricius, 1793).
    → Detaillierte morphologische Merkmale, Flugzeiten, Verbreitung, Nestbau und Volksgröße.
  • Arteninformationen NABU (2023): „Die Deutsche Wespe – Lästig, aber nützlich“.
    → Verhalten gegenüber Menschen, Nahrungssuche im Spätsommer, ökologische Bedeutung.
  • Dvořák, L. & Akre, R.D. (2010): European and introduced paper wasps and yellowjackets. In: Biology and Control of Social Wasps. Springer.
    → Vergleichende Daten zu Vespula germanica und Vespula vulgaris (Verhalten, Lebensweise, Nahrung).
  • Landesumweltamt NRW (2022): Wespen und Hornissen – Ratgeber für den Umgang.
    → Verhaltensempfehlungen, rechtliche Hinweise, Ablenkfütterung, Umgang mit Nestern.
  • Archer, M.E. (2012): Vespine Wasps of the World: Behaviour, Ecology & Taxonomy of the Vespinae. Siri Scientific Press.
    → Fachliteratur zu Systematik, Ökologie, Ernährung und Verteidigungsverhalten.
  • Schmidt, J.O. (2016): The Sting of the Wild. Johns Hopkins University Press.
    → Erklärung des Stechverhaltens, Vergleich Stachelaufbau und Giftwirkung (Vespula = glatter Stachel, mehrfaches Stechen möglich).
  • Clapperton, B.K. et al. (1994): Diet and foraging behavior of Vespula germanica in urban habitats. New Zealand Journal of Zoology, 21(4), 347–356.
    → Quantitative Studien zum Beutefang, Fleischnahrung, Zuckerquellen und Verhalten an menschlicher Nahrung.
  • Spradbery, J.P. & Dvořák, L. (2010): Social Wasps: Ecology, Behaviour and Control. Springer.
    → Ergänzende Informationen zu Nestgröße, Lebensdauer, Beuteanteil und Aggressionsauslösern.
  • Landesverband der Hornissen- und Wespenberater NRW (2023): Informationsblatt „Deutsche Wespe – Verhalten, Erkennung, Umsiedlung“.
    → Praktische Hinweise für Beratung, Umsiedlung und friedlichen Umgang.
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